Adnan Abouelela

Student

Datum

2019

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„Idee einer verbundenen Verschiedenheit...“

Interview mit Adnan Abouelela 

Student der molekularen Biologie, Universität Heidelberg (11:59)

 

Das Interview führte Sabine Wedemeyer, Ressortleitung Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, Karg-Stiftung.

  • Was ist für Sie Hochbegabung? (00:12)
  • Was braucht gute Begabtenförderung? (03:08)
  • Was verbindet Sie mit der Karg-Stiftung? (05:58)
  • Was ist Ihr Symbol für Hochbegabung? (08:45)

 

Ich bin Adnan Abouelela. Ich bin 19 Jahre alt und studiere an der Universität Heidelberg molekulare Biotechnologie.


Was ist für Sie Hochbegabung? (00:12)

Ich denke, Hochbegabung ist vor allem ein veränderlicher Zustand, der von der Kindheit bis hin ins Erwachsenenalter verschiedene Facetten zeigen kann. Vor allem als junger und sehr junger Mensch führen dabei meines Erachtens ein sehr wacher Verstand, leidenschaftliche Neugier und eben auch ein sehr impulsiver Bewegungsdrang zu einem - so würde ich es beschreiben - zu einem zwanghaften Bestreben, diesem Gefühl oder eben diesem Zustand Ausdruck zu verleihen. Im sozialen Kontext wird dabei nicht selten ein Spannungsfeld aufgebaut, denn ein solches Verhalten fordert natürlich von Gleichaltrigen und eben auch von Erziehenden Ungewohntes. Der gemeinsame Alltag und auch der Umgang miteinander funktioniert nicht reibungsfrei und das führt eben zu Frustration auch auf beiden Seiten und mitunter, im Extremfall, zum Rückzug des Kindes aus der Sozialgemeinschaft.

Und das hochbegabte Kind ist an dieser Stelle machtlos, dieses Spannungsfeld abzubauen und auf ein gemeinsames oder gesundes Miteinander hin zu arbeiten. Ich bin der Meinung, dass das nicht an Empathielosigkeit liegt, sondern eben oft auch am Unverständnis über das Anderssein des Gegenübers. Und es kann an dieser Stelle auch nur sehr verständnisvoll auf das Kind von Seiten der Erziehenden hingearbeitet werden. Ja, erst wenn sich das Umfeld, also Elternhaus, pädagogische Einrichtungen und so weiter, positiv darauf einstellen und mit Verständnis, und ja mit Verständnis, viel Verständnis reagieren, dann kann sich aus diesem kindlichen Zwang ein Potenzial entwickeln, mit dem es dann auch möglich ist, einen konstruktiven gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Aber dieses Bedürfnis, oder eben nochmal drastisch ausgedrückt, der Zwang zu Interesse und auch das intensive Erleben von Interesse, das, denke ich, das bleibt.


Was braucht gute Begabtenförderung? (03:08)

Ich empfinde das als eine sehr schwere Frage, denn ich weiß um die Kontroversen, die darum geführt werden. Es wird viel über die Berechtigung von Begabtenförderung diskutiert, genauso über die Frage, ob es sinnvoll ist, oder zielführend ist auch, Begabte und Hochbegabte in eigenen Klassen oder auch Schulen zu unterrichten. Diese sehr angespannte Diskussion wird nochmal verschärft durch wirklich schrecklich verfehlte Überschriften und Kommentare in den Medien. Es fällt schwer, eben diese Themen zu kommunizieren, und ganz oft steht da diese Frage im Raum: „Warum brauchen Leute wie ihr eigentlich Förderung? Euch fällt es doch eh schon alles zu!“ Und aus der Erfahrung meiner Schulzeit weiß ich eben, dass das einfach nicht so ist.

Das Wissen an sich, das fällt niemandem zu, und es braucht auch hier Lehrmittel und Lehrkräfte. Ich denke aber, dass der Unterschied vielleicht darin besteht, dass Sachverhalte schneller verstanden werden können und auch schneller verinnerlicht werden. Man muss sich eben an diesem Potenzial, was ich erwähnt habe, auch abarbeiten wollen und eben den Freiraum dazu haben - und ich denke, das sollte die Aufgabe der Begabtenförderung sein. Dazu braucht es eben Lehrkräfte, die einen solchen intensivierten Unterricht leisten wollen und die sich über den Lehrplan hinaus auch für ihr Fach begeistern können und eben im Unterricht auch sehr fordern; die natürlich auch fachlich sehr kompetent sind, aber eben auch Mut haben, dort gemeinsam Antworten auf Fragen zu finden. Auf der anderen Seite braucht es eine gewisse pädagogische Aufmerksamkeit, um mit den Eigenheiten, die mit Hochbegabung auch einhergehen können, umzugehen und dort zu unterstützen, wo das Lernen oder eben auch die persönliche Entwicklung nicht so leicht fällt. Es wird oft vergessen, dass Hochbegabung nicht bedeutet, alles in besonderem Maße zum Ausdruck bringen zu können.


Was verbindet Sie mit der Karg-Stiftung? (05:58)

Der Kontakt zur Karg-Stiftung ist in meiner Kindergartenzeit entstanden. Ich kann mich daran nicht mehr erinnern, denn für mich war die Karg-Stiftung eben seit meiner frühen Kindheit immer da und ich hab davon auch nicht viel gemerkt. Meine Eltern haben da im Austausch mit der Karg-Stiftung viel organisiert. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern und auch mein Umfeld an dieser Stelle sehr aufmerksam waren und die richtigen Schlüsse gezogen haben. Denn oft geht da viel schief. Eltern sind mit der Situation überfordert und ein sehr einfacher oder vielleicht auch sehr naheliegender Schluss ist, dass sich das Kind durch eine entsprechend strengere Erziehung oder eine gewisse Verbotskultur wieder sozusagen auf die richtige Bahn rücken lässt. Glücklicherweise durfte ich einen Kindergarten und eine Grundschule besuchen, die von der Karg-Stiftung konzeptionell und pädagogisch betreut wurden und auch darin unterstützt wurden, entwicklungsschnelle Kinder in einen Regelkindergarten oder eben Grundschule mit einzubinden.

Der Kontakt hat sich dann mit meinem Wechsel auf das Landesgymnasium Sankt Afra gehalten. Auch dort hat sich die Karg-Stiftung an der Einführung von Lernkonzepten zur Förderung von Hochbegabung mit engagiert. Während all dieser Zeit tritt diese Thematik Hochbegabung nicht sehr deutlich zutage. Man weiß natürlich, dass man auf ein Internat zur Hochbegabtenförderung geht, aber letztlich ist man eben auch Kind und man macht sich darum nicht sehr viele Gedanken. Man merkt vor allem, dass das Umfeld stimmt und dass man Freiraum hat, persönliche Interessen zu vertiefen. Das beginnt man dann auch erst später zu reflektieren. Insofern bin ich meinen Erzieherinnen und Erziehern und auch meinen Lehrerinnen und Lehrern an dieser Stelle sehr dankbar, dass sie mir diesen Weg durch Zusammenarbeit mit der Karg-Stiftung ermöglicht haben. Bis heute werde ich von der Karg-Stiftung begleitet und habe dort wertvolle Mentoren und Gesprächspartner gefunden.


Was ist Ihr Symbol für Hochbegabung? (08:45)

Ja, ich hab mich für das Möbiusband entschieden. Ich hole es mal kurz. Ich hab lange darüber nachgedacht, was für ein Symbol ich hier wählen möchte.  Ich hab auch nach etwas gesucht, was die Vielfältigkeit, die in der Hochbegabung liegt, möglichst wenig einschränkt, und daher etwas eher Abstraktes gewählt als einen Gegenstand, den man vielleicht eher mit der Hochbegabung assoziieren würde. Das Möbiusband wurde 1858 entdeckt und nach dem deutschen Mathematiker und Astronomen August Möbius benannt. Das Besondere eben dabei ist, dass man nur eine Seite und eine Kante braucht, um diese Figur zu bilden. Mittlerweile hat diese Figur auch vielfältig Anwendung gefunden in z.B. Gebieten wie der Physik, oder der Nanotechnologie oder dem Maschinenbau.Man kann so ein Band recht einfach nachbauen, also man braucht eigentlich nur einen Papierstreifen an beiden Enden verbinden und zuvor eben eins der beiden Enden um 180° drehen. Dann entsteht diese sehr interessante Figur.

Ich habe sie aber vor allem gewählt, weil sie mich in besonderer Weise an meine Schulzeit am Landesgymnasium Sankt Afra erinnert. Sankt Afra ist eine Schule, die speziell zur Förderung von Hoch- und Mehrfachbegabung ausgelegt ist und dort steht diese Figur für die Idee einer „verbundenen Verschiedenheit“. Also die Schüler dort verbindet natürlich Hochbegabung, aber diese Gemeinschaft lässt sie nicht auf ein homogenes Kollektiv reduzieren. Das Konzept der Schule wird auch mitunter sehr kritisch betrachtet. Ich denke, dass in viel Kritik so eine Aussage wie „Ihr seid doch eh schon klug genug!“ steckt, also eine, ich sag mal, eine sehr klare, eine sehr einfache Aussage, aber ich denke auch an dieser Stelle verdeutlicht das Möbiusband den Konflikt, der hier entsteht. Denn es verbindet beide Enden eben nicht auf die einfachstmögliche Weise und durch diese besondere Konstruktion entsteht eine vollkommen neue Situation und ich denke auch, dass die Gemeinschaft in Sankt Afra im Speziellen und eben auch die Hochbegabung im Allgemeinen unter diesem Aspekt zu sehen sind.

 

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