Fachforum Ministerien 2009

Herausforderung Übergänge – Bildung für hochbegabte Kinder und Jugendliche gestalten

Projektinfos

Wo

Wallerfangen

Wann

2009

Themenfeld:
Schule
Projektfeld:
Karg Foren

Fachforen Ministerien

Seit 2007 lud die Karg-Stiftung vier Mal Vertreter der Kultus- und Sozialministerien zum Wissens- und Erfahrungsaustausch zum Fachforum Ministerien ein - mit dem Ziel, in der föderal organisierten deutschen Bildungslandschaft länderübergreifende Kooperation anzuregen. Während das erste Fachforum Ministerien eine Übersicht zum Sachstand der  Begabtenförderung in den Bundesländern  erbrachte, die nunmehr im Karg Fachportal Hochbegabung online zur Verfügung steht, standen in 2008 und 2009 zwei Schlüsselthemen zur künftigen Ausrichtung der Hochbegabtenförderung im Fokus: die Übergänge zwischen Kindertagesstätte, Schule und Hochschule sowie die Pädagogenbildung. Das Fachforum Ministerien 2011 widmete sich dem Thema Netzwerkbildung. 

Vom Fachforum Ministerien sind zahlreiche Projekte in den Bundesländern ausgegangen, die der Bildungspolitik und -verwaltung Hilfestellung zur Bearbeitung des Förderfeldes gaben, etwa die  GIFted-Initiative des Landes Sachsen, die  Kompetenzzentren Begabtenförderung  in Schleswig-Holstein oder auch länderübergreifende Kooperationen wie die  Evaluation der Begabtenzüge in Bayern und Baden-Württemberg  (PULSS-Studien). 

 

Fachforum Ministerien 2009

„Herausforderung Übergänge - Bildung für hochbegabte Kinder und Jugendliche gestalten“

12.-13.5.2009, Wallerfangen bei Dillingen (Saarland)

Im Mittelpunkt des dritten Fachforums Ministerien stand die Frage, welche Ansätze, Strategien und Strukturen erforderlich sind, um Lern- und Entwicklungsprozesse an den Schnittstellen erfolgreich zu begleiten und zu unterstützen. Ziel war die Formulierung von Gelingensbedingungen, wie sich Kompetenzen und Potenziale hochbegabter Kinder und Jugendlicher bei der Bewältigung der Übergänge stärken lassen. / Ergebnisse und Beiträge der Tagung sind nachzulesen in  Karg Heft 01.


Anlässlich des dritten Fachforums Ministerien lud die Karg-Stiftung Fachvertreterinnen und Fachvertreter aus allen Kultus- und Sozialministerien der Bundesländer sowie der mit Bildungsfragen befassten Bundesministerien zum Thema „Herausforderung Übergänge“ in das Saarland ein. Das Forum bot damit eine bundesweite Plattform zur fachlichen Information und bildungspolitischen Abstimmung in der Begabtenförderung. Die Karg-Stiftung möchte, wie ihr Vorstand Dr. Ingmar Ahl formuliert, „die Länder anregen, voneinander zu lernen - und sich gegenseitig in ihren Aktivitäten in der Begabtenförderung auszutauschen.“

Eröffnung
Mit dem Saarland kooperiert die Karg-Stiftung bereits seit vielen Jahren. Es verfügt über etablierte Strukturen in der Hochbegabtenförderung und misst dem Thema eine hohe Bedeutung zu. Die saarländische Ministerin für Bildung, Familie, Frauen und Kultur, Annegret Kramp-Karrenbauer, eröffnete die Veranstaltung: „Das Thema Bildung ist in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt; die individuelle Förderung und damit auch das Thema Übergänge nehmen einen zentralen Stellenwert ein. Denn es sind immer persönliche Bildungsgeschichten damit verbunden.“ Das Fachforum solle dazu beitragen, dass ein Scheitern an den Übergängen bald der Vergangenheit angehöre.

Erfolgreiche Bildungsbiografien
Erfolgreiche Bildungsbiografien haben auch konzeptionell aufeinander abgestimmte und individuell gestaltbare Bildungsstufen zur Voraussetzung. Von der Kita bis zum Übertritt in Studium oder Berufsausbildung gilt es, die Gestaltung von Bildungslandschaften in den Bundesländern weiter zu entwickeln. Dies gilt umso mehr für Kinder und Jugendliche mit besonderen Förder-, Lern- und Leistungsbedürfnissen. Während Übergänge im Bildungssystem generell für alle Schülerinnen und Schüler eine Herausforderung bilden, stellen sich die Anforderungen für hochbegabte Kinder und Jugendliche oftmals auf eine besondere Weise dar. Ist es beispielsweise gelungen, eine Grundschule zu finden, in der sich ein hochbegabtes Kind angenommen fühlt und die geeignete, individuell abgestimmte Förderangebote bereit hält - was oftmals schwer genug ist -, dann kann der anschließende Wechsel in die weiterführende Schule aufgrund anderer Unterrichtskulturen und wenig Information über das Kind einen „Bruch“ zur Folge haben, mit möglicherweise problematischen Folgen für die Fortsetzung der bisher erfolgreichen Lern- und Begabungsentwicklung.

Gelingensbedingungen für erfolgreiche Übergänge
Petra Hanke, Erziehungswissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Pädagogik der Primarstufe an der Universität Münster, stellte in ihrem Eröffnungsvortrag die Problemstellung dar und formulierte Gelingensbedingungen für erfolgreiche Übergänge. Eine konsequente Umsetzung des ko-konstruktivistischen Bildungsansatzes, wie er bereits in den Bildungsplänen der Länder formuliert ist, bedürfe der Zusammenarbeit aller am Prozess Beteiligten. Das schließt die Kinder, Eltern, die Erzieherinnen und Erzieher sowie die Lehrerinnen und Lehrer ein. Ein reiner Informationsaustausch sei eindeutig zu wenig, es ginge hier um einen wechselseitigen Lernprozess, bei dem gemeinsame Konzepte für bestimmte Zielgruppen, wie etwa Hochbegabte, erarbeitet werden müssten.

Schnittstelle Familie - Institution
Elementar bei der erfolgreichen Umsetzung von Übergangskonzepten ist die Berücksichtigung des familiären Umfeldes. Wilfried Griebel, wissenschaftlicher Referent am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München, sieht an der Schnittstelle Familie - Institution einen Dreh- und Angelpunkt für den Bildungsweg der Kinder. Eltern sind von den Übergängen ebenso stark betroffen wie ihre Kinder, die die Übergänge durchlaufen: Aus Kindergartenkinder-Eltern werden Grundschulkinder-Eltern und so fort. Wertvolle Informationen, die die Pädagoginnen und Pädagogen benötigen, um gelingende Übergänge zu schaffen, müssen auch von den Eltern kommen, denn diese sollten ihre Kinder am besten kennen. Genau hier kann aber Bildungsungerechtigkeit entstehen, denn Studien zeigen, dass Eltern aus bildungsfernen Schichten sich eher für einen Bildungsweg entscheiden, den sie kennen und nicht für den dem Kind angemessenen. Für hochbegabte Kinder aus bildungsfernen Herkunftsfamilien besteht hier insbesondere die Gefahr, dass ihre soziale Herkunft und nicht ihre Fähigkeiten über die zukünftige Schulform entscheiden. Die aktive Einbindung der Eltern stellt eine wesentliche Voraussetzung von schlüssigen Übergangskonzepten dar. Die Rolle von Eltern darf auch hier nicht darauf reduziert werden, Informationen zum Kind zu geben und die Übergangsempfehlung der „Experten“ entgegenzunehmen. Die angestrebte Erziehungs- und Bildungspartnerschaft lässt sich nur mit einer entsprechenden Grundhaltung im Dialog mit Eltern realisieren.

Übergang Schule - Sekundarstufe
Den Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe thematisierte ein Workshop von Matthias Korn und Tim Rohrmann, die eine im Auftrag des Sächsischen Ministeriums für Kultus durchgeführte Studie zum Übergang hochbegabter Kinder in der Grundschule vorstellten. Die Studie lieferte anhand von Schülerbiographien detaillierte Einblicke in die Problematik beim Übergang in die Sekundarstufe im Kontext von Hochbegabung (vgl. Rohrmann 2009). Es bedarf fester Kommunikationslinien zwischen den beteiligten Schulen in Bezug auf die Lernentwicklung und die Persönlichkeit des einzelnen Kindes. Hierbei darf es nicht nur um das erworbene Wissen gehen, auch der Umgang mit den Lerninhalten, wie zum Beispiel Arbeits- und Präsentationsmethoden, sowie soziale Kompetenzen spielen eine wichtige Rolle. Entwicklungsberichte ‚in beide Richtungen‘ - also von der abgebenden an die aufnehmende Schule und umgekehrt - könnten ein geeignetes Instrument sein, damit die Schulen sich gegenseitig über die individuellen Bildungsbiographien, aber auch über pädagogische Konzepte und Organisationsformen des Unterrichts informieren können. Die Schulen, die an den Übergängen miteinander kooperieren, wissen oft noch viel zu wenig übereinander. Ein stärkerer Austausch, der über eine einfache Weitergabe der gröbsten Informationen hinausgeht, wäre außerdem ein wertvoller Ansatzpunkt für eine gegenseitige Anstiftung zur Unterrichtsentwicklung mit dem Ziel individueller Förderung.

Übergang Kita/Grundschule und Frühstudium/Universität
Lösungsvorschläge und wichtige Impulse gingen auf dem Fachforum auch von den anderen beiden Workshops zum Übergang von der Kita in die Grundschule sowie zum Frühstudium und Übergang in die Universität aus. Insgesamt war man sich über das wesentliche Ergebnis einig, dass die Kompetenz der Familien und die Qualität der Unterstützungsangebote maßgeblich den Erfolg der Übergangsbewältigung beeinflussen.

Fazit
Armin Hackl, Kurator der Karg-Stiftung, formulierte zum Abschluss des Forums aus seiner Erfahrung als langjähriger Schulleiter heraus zentrale Thesen zur Bewältigung der Übergänge und fasste damit die Erkenntnisse und Ergebnisse des Forums zusammen:
Rahmenbedingungen einer angemessenen Förderung sind stabile Klassenverbände, ergänzt um die Teilnahme in offenen, qualitätsorientierten, vorzugsweise jahrgangsübergreifenden Lerngruppen. In diesem Rahmen kann die Förderung in einem flexiblen Mix aus innerer und äußerer Differenzierung angelegt sein, um den individuellen Förderbedürfnissen gerecht zu werden. Sind diese Kriterien erfüllt, besteht wesentlich seltener ein Wechselwunsch als in Klassen mit unspezifischer Förderung. Können diese Bedürfnisse allerdings nicht erfüllt werden, dann kann die Zahl der Bildungsübergänge durch den Wechselwunsch zusätzlich steigen. Außerdem zeigen die Erfahrungen Armin Hackls am Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg, dass eine integrative Förderung in vielen Fällen einer Verkürzung der Bildungszeit durch Überspringen vorzuziehen sei.

Vor allem beim Übergang in die weiterführende Schule mit ihrem hochdifferenzierten Angebot bedarf es einer sorgfältigen Diagnostik und Beratung, um eine Entscheidung für eine reguläre Klasse, eine integrative Förderklasse oder eine abgestimmte Mischung aus integrativer und segregativer Förderung zu begründen - Formen der Förderung, die dann auch vom System angeboten werden müssen.

Für hochbegabte Oberstufenschülerinnen und -schüler bestehen in der Bundesrepublik mittlerweile nahezu flächendeckend Angebote eines Frühstudiums: Es können Seminare an der Universität besucht und dafür auch Leistungsnachweise bis hin zum Vordiplom erworben werden, die später auf ein Studium angerechnet werden können. Der versäumte Schulstoff wird nachgeholt. Was aber noch viel zu wenig bedacht werde, so Hackl, ist bei diesen Angeboten eine passende Koordination zwischen Schule und Universität, da die Methodik des Studiums und dessen Leistungsansprüche zum Teil unter den Möglichkeiten der Hochbegabten in den Förderklassen liegen. Für die Frühabiturienten und Frühstudierenden werden eine professionelle Begleitung und spezielle Angebote in Kollegform benötigt, die die besonderen Lern- und Leistungsanforderungen und das junge Alter der Zielgruppe berücksichtigen.

Die auf dem Fachforum 2009 gestellten Forderungen können im Nachgang von den Ministerien dahingehend geprüft werden, inwieweit sie im entsprechenden System umgesetzt werden können - und welche Länder eventuell schon jetzt in einzelnen Bausteinen eine Vorbildfunktion ausüben.

Infos und Ergebnisse aus dem Projekt

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